Es reden: Bodo Zeuner, Doris Heinemann-Brooks, Rolf Becker
100 Jahre unvollendete Revolution
Nach dem Aufstand der bewaffneten Matrosen der Kriegsmarine in Kiel sprang der Funke der Revolution auf alle wichtigen Städte und industriellen Gebiete Deutschlands über. Am 9. November 1918 strömten auch die Arbeiterinnen und Arbeiter Berlins zum Generalstreik auf die Straße und besetzten die Kraftwerke, das Polizeipräsidium, das Telegrafenamt und das Reichstagsgebäude. Philipp Scheidemann (SPD) rief vom Reichstag die »deutsche Republik« und Karl Liebknecht (Spartakusbund) vom Stadtschloss die »freie sozialistische Republik Deutschland« aus.
Frankreich feiert in jedem Jahr am 14. Juli den Sturm auf die Bastille als Geburtsstunde der Republik. In Deutschland ist die Geburtsstunde der Republik vergessen. Vergessen ist auch, dass ohne die Novemberrevolution die Koalitionsfreiheit – also das Recht, sich in Gewerkschaften zusammenzuschließen – keinen ausdrücklichen Schutz durch die Verfassung bekommen hätte. Vergessen ist, dass es ohne die Novemberrevolution keine Betriebsräte gäbe. Vergessen ist, dass die Frauen mit der Revolution ihr Wahlrecht erkämpften.
Wir wollen nicht nur an die Errungenschaften der Revolution von 1918 erinnern, sondern auch an die Forderungen, die unerfüllt blieben: Es sollte ein für alle Mal Schluss gemacht werden mit Ausbeutung und Krieg. Das große Kapital, die treibende Kraft hinter dem Krieg, sollte sozialisiert werden.
Das kapitalistische Eigentum wurde nicht angetastet. Es ging nur der Kaiser, die Generäle blieben. Es blieben die Feinde der Republik in der Verwaltung und Justiz. Es blieben die Gegner der Revolution und der republikanischen Freiheiten, des allgemeinen Wahlrechts, der Presse- und Meinungsfreiheit, der erkämpften Arbeitsrechte. Diese Gegner gehörten 15 Jahre später zu den Wegbereitern des Faschismus.
Heute erleben wir, wie die sozialen und politischen Errungenschaften erneut in Frage gestellt werden: Immer weniger Beschäftigte können sich auf Tarifverträge berufen, immer weniger Betriebe haben Betriebsräte; unsere Grundrechte werden durch verschärfte Polizeigesetze gefährdet und reaktionäre, nationalistische und faschistische Bestrebungen erstarken.
Dagegen wehren wir uns. Wir brauchen mehr soziale und demokratische Rechte. Wir brauchen keine Bundeswehreinsätze in aller Welt und keine militärische Aufrüstung. Nur eine breite soziale Bewegung kann die Rechtsentwicklung aufhalten.
Donnerstag, den 8. November 2018 17:00 Uhr
vor dem Brandenburger Tor